Fehlerkultur. Kaum ist das Thema in der Runde stellt soll erst mal definiert werden, was ein Fehler eigentlich ist. In diese Frage kann man locker Stunden investieren ohne eine greifbare allgemein gültige Antwort zu erhalten. Ich kenne das aus Fehlerkultur Workshops. Meine Vermutung ist sogar: Je gebildeter die Teilnehmer, desto stärker der Wunsch nach Definition. Doch Fehlerkultur ist eine Frage der Haltung, nicht der Definition. Die Frage was ein Fehler eigentlich ist, ist nicht zielführend, wenn es um Fehlerkultur geht. Ich möchte hier mal ein Beispiel aus der Jonglage vorstellen, das ich auch gerne in meinen Vorträgen zum Thema Fehlerkultur nutze.
Jongliert man mit drei Bällen fliegen die alle auf einer Ebene vor dem Körper hin und her. Soweit die Theorie. In der Praxis ist das natürlich nicht 100% exakt. Es gibt Abweichungen insofern, dass die Bälle auch mal ein bisschen in Richtung des Körpers oder vom Körper weg fliegen. Ist eine so kleine Abweichung ein Fehler? Wohl eher nicht, so ist der Alltag einfach.
Dabei entsteht aber eine ganz andere Problematik. Das Beispiel: Nehmen wir mal an die rechte Hand produziert eine kleine Abweichung. Nichts Weltbewegendes. Sagen wir sie wirft den nächsten Ball mit fünf Zentimetern Abweichung nach links. Wer ist nun dafür zuständig diese Abweichung auszugleichen? Exakt: es ist die Kollegin Frau Linke, die bislang mit dieser Abweichung überhaupt nichts zu tun hatte.
Im besten Fall wirft sie den Ball zurück in die optimale Spur und alles ist wieder im Lot. Was passiert aber, wenn Frau Linke von der Abweichung auf dem falschen Fuß erwischt wird und es nicht schafft sie optimal auszugleichen? Dann kommt der nächste Ball mit der gleichen oder sogar noch größeren Abweichung zurück nach rechts geflogen.
Nun ist die rechte Hand wieder dran. Dieses Mal ist die Abweichung schon deutlich und Rechts, der glaubt er selbst habe gar nichts mit dieser Abweichung zu tun, fragt sich: Soll ich jetzt rennen und mich voll ins Zeug schmeißen, damit die Kollegin Frau Linke mit ihrer stümperhaften Arbeit nicht auffliegt? Echt jetzt? Ich sollte es mal zum Gau kommen lassen, damit mal auffliegt wie die arbeitet. Wenn ich mich jetzt reinhänge und es klappt nicht, dann bleibt der Mist noch an mir hängen. Hier ist der Schritt zur Blame Culture oder der so genannten Cover-your-Ass- Haltung nur ein ganz kleiner.
In der inneren Diskussion gefangen macht sich Rechts halbherzig auf den Weg, kommt etwas zu spät an und schafft es nicht die Abweichung in den Griff zu bekommen. Sie wird sogar größer. Aber immerhin ist kein Ball runtergefallen. Nun kann er nur hoffen, dass Frau Linke, es schafft… Irgendwann passiert aber auch das Unausweichliche.
Die typische Diskussion dreht sich dann immer um die Frage: Wo hat die Abweichung angefangen? Bzw. Wer wusste wann von was Bescheid? Ab welchem Grad der Abweichung war es ein Fehler?
Die meisten Fehler passieren nicht aus heiterem Himmel, sondern haben eine Vorgeschichte. In der Aufarbeitung lohnt es sich da reinzuschauen. Es gehört aber auch eine Portion Sachlichkeit und Demut dazu, denn jeder von uns produziert kleine Abweichungen, die andere ausgleichen müssen.
Es gibt keine brauchbare allgemein anwendbare Definition von Fehlern. Das heißt man muss in jeder Zusammenarbeit selbst definieren: Wie wollen wir eigentlich zusammen arbeiten? Ab wann wollen wir eingreifen? kurz reflektieren wie wir zusammenarbeiten? Sollen wir schon beim kleinsten Fehler unterbrechen? So nach dem Motto: du ich kann die E-Mail nicht bearbeiten, da war ein Tippfehler drin. Oder wollen wir erst dann aus Abweichungen lernen wenn alle Prozesse zum Erliegen gekommen sind?
Der größte Fehler ist es wohl nicht darüber zu sprechen. Worüber? Über die Erwartungen, die Art der Zusammenarbeit, die Lernziele, die ständige Verbesserung der Prozesse und der Zusammenarbeit. Und genau da ist Fehlerkultur eine Frage der Haltung. Hinter Definitionen kann man sich verschanzen, Haltung zeigt man.
Bin ich bereit für meine Kollegen den extra Schritt zu gehen um die Situation aufzufangen? Dann sind die im Umkehrschluss auch bereit für mich den extra Schritt zu gehen. Und am Ende haben nicht nur die zwei Kollegen, die füreinander da sind was davon, sondern die ganze Organisation.
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Wenn Sie an der Fehlerkultur, oder Organisationskultur arbeiten wollen, dann empfiehlt es sich nicht zu warten, bis der Gau eingetreten ist, sondern dann zu starten, wenn es noch gut läuft. Dafür habe ich ein Buch geschrieben: 101 Impulskarten zur Entwicklung der Organisationskultur. Mit diesen Impulen können Sie solche Diskussionen in Gang bringen. Diese Impulse können sie im Rahmen eines Meetings nutzen. Zeitaufwand circa 20 Minuten je Impuls, Moderationsanleitung inklusive.