Wie kann man Fehlerkultur messen?

Eine starke Fehlerkultur treibt in Organisationen Lernprozesse und kontinuierliche Verbesserungen voran. eine schwache Fehlerkultur lässt diese Gelegenheiten aus, eine reife Umgang damit bietet hingegen die Grundlage für Innovation und Wachstum. Da für viele Menschen nur gilt, was mess- oder zählbar ist, stellt sich die Frage: Kann man Fehlerkultur messen? Dieser Artikel beleuchtet, inspiriert durch die wegweisende Studie von Spychiger et al., wie Fehlerkultur gemessen werden kann, sowohl in Bildungseinrichtungen als auch in Unternehmen.

Was ist Fehlerkultur?

Fehlerkultur bezieht sich auf die Art und Weise, wie Organisationen mit Fehlern umgehen. Eine positive Fehlerkultur fördert Offenheit, Lernen aus Fehlern und konstruktive Reaktionen. In Unternehmen und Schulen ist eine gesunde Fehlerkultur entscheidend für die Entwicklung, Resilienz und Anpassungsfähigkeit. Sie schafft ein Umfeld, in dem Mitarbeiter und Schüler sich sicher fühlen, sich an Neues herantrauen, Risiken einzugehen und aus ihren Fehlern zu lernen.

Methoden zur Messung der Fehlerkultur und ihre Bewertung

Organisationen können die Fehlerkultur mit verschiedenen Methoden messen, wobei jede Methode ihre spezifischen Vor- und Nachteile in Bezug auf Zuverlässigkeit, Machbarkeit und Praxisrelevanz hat.

  • Mitarbeiterumfragen: Diese bieten direkte Einblicke in die Wahrnehmungen der Belegschaft. Vorteilhaft ist ihre Einfachheit und direkte Rückmeldung. Allerdings können subjektive Verzerrungen und die Bereitschaft zur offenen Kommunikation mit dem Interviewer die Zuverlässigkeit beeinträchtigen.
  • Analyse von Fehlerberichten: Diese Methode sammelt konkrete Daten über Fehler und deren Behandlung. Sie ist objektiv und datenbasiert, kann jedoch nur die Fehler erfassen, die auch tatsächlich gemeldet werden.
  • Interviews und Fokusgruppen: Sie bieten tiefere Einblicke und ermöglichen ein umfassenderes Verständnis der Fehlerkultur. Und auch der Rahmenbedingungen, die den Umgang mit Fehlern beeinflussen. Der Nachteil liegt im potenziellen Zeitaufwand und darin, dass man das nur mit einer kleinen Gruppe durchführen kann.
  • Beobachtung und Verhaltensanalyse: Diese Methode liefert unmittelbare Einblicke in das tatsächliche Verhalten. Sie ist jedoch schwer realisierbar, kann sehr aufwendig sein und erfordert eine neutrale, unvoreingenommene Beobachtung.
  • Kennzahlen zur Fehlerbehandlung:  Sie bieten quantitative Daten, wie die Reaktionszeit auf Fehler oder die Anzahl wiederholter Fehler. Diese Methode ist objektiv, kann aber die tieferen Aspekte der Fehlerkultur, wie Einstellungen und Überzeugungen, nicht erfassen. Und es werden nur gemeldete sachliche Fehler betrachtet. Fehlverhalten bleibt außen vor.
  • 360-Grad-Feedback: Dieses umfassende Feedback aus verschiedenen Perspektiven liefert ein ganzheitliches Bild der Fehlerkultur. Es kann jedoch durch subjektive Meinungen beeinflusst werden und erfordert eine Kultur der Offenheit.
  • Lern- und Entwicklungsmaßnahmen: Die Bewertung dieser Maßnahmen gibt Aufschluss über die Effektivität der Fehlerkultur. Sie sind jedoch indirekt und hängen stark von der Qualität der durchgeführten Maßnahmen ab.

Die vier Skalen der Fehlerkultur

Fehlerkultur messen mit Umfragen? Das wurde in der Studie von Spychiger et al. gemacht. Diese Arbeit bietet ein tiefgreifendes Verständnis der Fehlerkultur in Schulen, das auch auf Unternehmenskontexte übertragbar ist. Die vier Skalen – Lernorientierung, Fehlerfreundlichkeit, Normtransparenz und Fehlerangst – bieten ein differenziertes Bild:

  • Lernorientierung: Die Schülerinnen und Schüler schätzen sich selbst ein. Diese Skala misst, wie Schüler den Umgang mit Fehlern im kognitiven Bereich wahrnehmen. Sie reflektiert, inwieweit Fehler als Lerngelegenheiten gesehen werden und wie intensiv sich Schüler mit ihren Fehlern auseinandersetzen.
  • Fehlerfreundlichkeit: Hier bewerten Schüler, wie ihre Lehrkräfte auf Fehler reagieren. Diese Skala ist besonders aufschlussreich, da sie zeigt, wie die Einstellungen und Verhaltensweisen der Lehrkräfte die Fehlerkultur prägen. Eine hohe Fehlerfreundlichkeit deutet darauf hin, dass Fehler als Teil des Lernprozesses akzeptiert und konstruktiv genutzt werden.
  • Normtransparenz: Diese Skala zeigt auf, wie klar und verständlich Organisationen Normen und Erwartungen kommunizieren. Besonders interessant ist der Befund, dass Migranten und neu zugezogene Schüler oft Schwierigkeiten haben, die Normen zu verstehen. Sie wissen schlichtweg nicht, dass ihr Verhalten fehlerhaft war. Das weist was auf die Kulturabhängigkeit von Fehlern und die Bedeutung der kulturellen Identität hin. In Unternehmen spiegelt dies die Herausforderung wider, eine klare und inklusive Fehlerkultur zu schaffen, die für alle verständlich ist.
  • Fehlerangst: Diese Skala misst die emotionalen Reaktionen auf Fehler, wie Angst, Scham und Schuldgefühle. Interessanterweise ist nicht die Abwesenheit, sondern eine moderate Ausprägung dieser Emotionen am förderlichsten für einen lernorientierten Umgang mit Fehlern. Dies zeigt, dass ein gewisses Maß an emotionaler Reaktion auf Fehler wichtig ist, um ein Bewusstsein für deren Bedeutung zu schaffen. Zu starke emotionale Reaktion blockiert den Lernprozess und kann sogar bis zur Schulangst führen. Hat man hingegen gar keine Angst, Scham oder Schuldgefühle bei einem Fehler, ist das auch nicht funktional für einen lernorientierten Umgang mit Fehlern.

Diese Skalen, finde ich, bieten ein nuanciertes Bild der Fehlerkultur und zeigen, wie verschiedene Aspekte – von der Einstellung der Lehr-bzw. Führungskräfte bis hin zur Kommunikation von Normen – zusammenwirken, um eine lernfördernde oder -hemmende Umgebung zu schaffen.

Anwendung der Erkenntnisse in der Praxis

Unternehmen können die Erkenntnisse aus der Studie von Spychiger et al. auf ihren Kontext übertragen. Die Selbsteinschätzung der Lernorientierung kann gut in Gesprächen adressiert werden. Und auch durch Führung unterstützt werden.

Fehlerfreundlichkeit ist etwas schwerer zu messen, stellt aber einen wichtigen Hebel bei der Gestaltung der Fehlerkultur dar. Hierzu gibt es spannende Umfrageergebnisse, die zeigen, wie unterschiedlich Führungskräfte und deren Mitarbeiter die Offenheit der Diskussionskultur einschätzen. (Der Balken im eignen Auge …)

Normtransparenz im Unternehmen zu messen scheint schwierig. Wissen alle, was erwartet wird? Sind die Erwartungen klar kommuniziert? Normtransparenz weist auf die Rahmenbedingungen der Fehlerkultur hin und fordert auf, diese klar zu kommunizieren.

Fehlerangst kann man ablesen an den Fehlerberichten und Gesprächen. Wurden sie geführt oder wurden Fehler später entdeckt? In welcher Atmosphäre finden die Gespräche und Berichte statt?

Will man Fehlerkultur messen, ist das nicht ohne Herausforderungen. Die Subjektivität von Wahrnehmungen und kulturelle Unterschiede können die Interpretation der Daten erschweren. Gleichzeitig ist die subjektive Wahrnehmung eben das, was die gelebte Fehlerkultur letztlich ausmacht. Zudem ist die Fehlerkultur dynamisch und erfordert regelmäßige Messungen und Anpassungen. Trotz dieser Herausforderungen, kann die Messung der Fehlerkultur wertvolle Einblicke bieten, die Lern- und Arbeitsumgebungen verbessern.

Fazit

Ich halte es für wichtig, den Umgang mit Fehlern im Blick zu haben. Dabei sollte man demütig selbstkritisch sein, und akzeptieren, dass andere die Situation anders erleben.

Will man Fehlerkultur messen, ist ein komplexes, aber sicherlich spannendes Unterfangen. Es erfordert einen ausgewogenen Mix aus qualitativen und quantitativen Methoden, um ein umfassendes Bild zu erhalten. Die Studie von Spychiger et al. bietet ein ausgezeichnetes Modell, das man auf den Unternehmenskontext anpassen kann. Für Führungskräfte, Personalentwickler und Qualitätsmanager bietet die Messung der Fehlerkultur eine Grundlage, um Lernprozesse zu fördern und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung zu etablieren.

Literaturverweise und Quellen

Für weitere Informationen und vertiefende Einblicke in die Messung der Fehlerkultur hier die Links zu den Quellen:

Dimensionen von Fehlerkultur in der Schule und deren Messung. Der Schülerfragebogen zur Fehlerkultur im Unterricht für Mittel- und Oberstufe (pedocs.de)

EY Fehlerkultur-Report 2023 | EY – Deutschland

Positive Fehlerkultur -Vortrag von Andreas Gebhardt

Andreas Gebhardt ist ein erfahrener Jongleur und inspirierender Keynote Speaker. In seinen inspirierenden Präsentationen legt er den Fokus auf die Bedeutung von Fehlern für persönliche und professionelle Entwicklung sowie für soziale Interaktionen. Durch die Einbindung von Jonglierbällen in seine Vorträge schafft Andreas eine eindrucksvolle und einprägsame visuelle Darstellung, die bei den Zuhörern nachhaltig in Erinnerung bleibt.

Für weitere Informationen über Andreas Gebhardt und seine aufschlussreichen Vorträge zum Thema Fehlerkultur und die Bereitschaft zu Veränderungen, scheuen Sie sich gerne auf der Webseite um oder kontaktieren Sie ihn direkt.