Was können wir aus der Fehlerkultur in der Raumfahrt lernen?

Fehler sind unvermeidlich, vor allem in einer Welt, die sich ständig verändert und neue Herausforderungen stellt. Doch wie gehen wir mit Fehlern um? Wie können wir aus ihnen lernen und uns verbessern? Und wie können wir eine Kultur schaffen, die Fehler nicht als Schwäche, sondern als Chance sieht? In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Fehlerkultur in der Raumfahrt, insbesondere bei der NASA und SpaceX, und wie sie sich ihre Perspektive auf Fehler und ihre Umgang mit Fehlern und Tests unterscheidet.

Die experimentelle Testphilosophie von SpaceX

Am 17. November 2023 führte SpaceX einen Testflug seiner Starship-Rakete durch, die eines Tages Menschen zum Mars bringen soll. Der Test war spektakulär, aber auch explosiv. Der Start des „Starship“ verlief reibungslos. Auch beim Abtrennen der unteren Raketenstufen gab es nach etwa zweieinhalb Minuten keinerlei Probleme. Erst, als die rund 70 Meter lange Booster-Stufe ihre Triebwerke für die Landung im Golf von Mexiko zünden wollte, explodierte die „Super Heavy“. Die etwa 50 Meter lange obere Stufe, die wie das gesamte System „Starship“ genannt wird, flog anschließend noch mehrere Minuten wie geplant weiter, ehe der Kontakt verloren ging. Wenig später zündete SpaceX die Selbstzerstörung.

Für viele Menschen wäre das ein katastrophaler Fehlschlag, der Zweifel und Kritik auslösen würde. Für SpaceX war es jedoch ein wertvoller Lernerfolg, der wichtige Daten und Erkenntnisse lieferte, um die Rakete zu verbessern und die Mission zu einem Erfolg zu machen. “Mit einem Test wie diesem kommt der Erfolg von dem, was wir lernen, und wir haben eine enorme Menge gelernt”, heißt es in einem Beitrag über den Start auf der Website von SpaceX.

Diese Haltung zum Testen ist bemerkenswert, denn sie zeigt, wie SpaceX Fehler als notwendige Schritte auf dem Weg zum Ziel akzeptiert und nutzt. Sie erwarten nicht, dass jede Mission perfekt verläuft, sondern dass jede Mission etwas Neues lehrt. Solange sie daraus lernen und sich anpassen können sind sie bereit Fehler zu machen. SpaceX sieht Fehler also nicht als Endpunkt, sondern als Ausgangspunkt für weitere Verbesserungen. Je früher der Fehler gemacht wird, desto eher kann man davon lernen. (Wenn Sie sich für diesen Ansatz weiter interessieren, schauen Sie unter den Stichwort Minimum Viable Product)

Die konservative Testphilosophie der NASA

Eine ganz andere Fehlerkultur in der Raumfahrt verfolgt die NASA. Die Geschichte der NASA geht zurück bis zu den Anfängen des Weltraumrennens in den 1950er Jahren. Die NASA ist verantwortlich für viele bahnbrechende Missionen, wie die Mondlandungen, die Raumfähren, die Internationale Raumstation und die Erkundung des Sonnensystems. Die NASA hat hohe Standards und Erwartungen an sich selbst und an ihre Partner, um die Sicherheit der Astronauten und das Ansehen in der Öffentlichkeit zu gewährleisten. Deshalb verfolgt die NASA eine konservativere Testphilosophie, die auf Sicherheit, Zuverlässigkeit und Qualität basiert.

Bevor eine Mission startet, führt die NASA umfangreiche Tests auf verschiedenen Ebenen durch. Jede Komponente wird gründlich geprüft, und es wird alles unternommen, um mögliche Fehlerquellen zu identifizieren und zu eliminieren. Die NASA testet unter Bedingungen, die den realen Weltraum so nahe wie möglich kommen, wie Vakuum, Schwerelosigkeit, Strahlung und extreme Temperaturen. Diese gründliche und vorsichtige Herangehensweise hat der NASA einen guten Ruf und eine hohe Erfolgsrate eingebracht. Hier geht es darum Fehler so schnell wie möglich zu entdecken und zu bearbeiten, damit er gar  nicht erst zum Tragen kommt. Das Hauptziel ist die Fehlervermeidung. Doch manchmal geht trotzdem etwas schief, wie beim tragischen Verlust der Raumfähre Columbia, die beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zerbrach.

Vor- und Nachteile beider Ansätze

Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile. Die konservative Testphilosophie der NASA gewährleistet Sicherheit und Zuverlässigkeit, erfordert jedoch viel Zeit, Geld und Ressourcen. Leider entsteht dabei aber auch keine 100%ige Sicherheit.

SpaceX schickt Prototypen direkt in die Luft oder ins All, ohne viel zu zögern. Fehler und Explosionen sind einkalkuliert. Sie sind Teil des Lernprozesses. SpaceX feiert jeden Test, auch wenn er in einem Feuerball endet. Denn jeder Test bringt neue Erkenntnisse, die die Mission voranbringen. Dieser Ansatz ermöglicht schnellere Innovationen, geht aber mit höheren Risiken einher.

Fazit: Lehren für die Fehlerkultur in der VUCA-Welt

Was können Führungskräfte aus der Fehlerkultur in der Raumfahrt lernen? Vielleicht muss es gar nicht eines dieser beiden Extreme sein. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der konservativen Null-Fehler-Kultur der NASA und der experimentellen Herangehensweise von SpaceX könnte auch passend sein. In der VUCA-Welt müssen Entscheidungsträger bereit sein, Risiken einzugehen und aus Fehlern zu lernen, während sie gleichzeitig Sicherheit und Qualität wahren.

Das heißt vor allem gut zu unterscheiden, in welchen Bereichen Tests und Experimente sattfinden können oder sogar sollen, und wo man Fehler so akribisch wie möglich vermiedet. Ein differenzierter Blick ist hier absolut angebracht. Und generalistische Ausreden sollen tunlichst vermieden werden.

Die Raumfahrt, als Sinnbild komplexer Herausforderungen, zeigt, dass Tests und Fehler unerlässlich sind, um Innovationen voranzutreiben. Ein agiles Mindset, das flexibel auf Veränderungen reagiert und aus Fehlern lernt, ist der Schlüssel für den Erfolg in der heutigen Welt.

Die Raumfahrtindustrie zeigt uns, dass das Streben nach Perfektion und die Akzeptanz von Fehlern Hand in Hand gehen können.

Fragen zur Reflexion

Diese Haltung zum Testen ist bewundernswert. Aber auch der Sicherheitsanspruch ist vorbildlich. Was können wir für den Umgang mit Fehlern daraus lernen?

  • Wie definieren wir Erfolg und Misserfolg? Sind wir zu sehr auf das Ergebnis fixiert, oder konzentrieren wir uns auch auf den Prozess und das Lernen?
  • Wie gehen wir mit Risiken um? Sind wir zu ängstlich, um etwas Neues auszuprobieren, oder sind wir bereit, aus unserer Komfortzone herauszutreten und zu experimentieren?
  • Wie reagieren wir auf Fehler? Sind wir zu hart zu uns selbst oder zu anderen, oder sind wir konstruktiv und lösungsorientiert?
  • Wie lernen wir aus Fehlern? Sammeln wir genug Daten und Feedback, oder ignorieren wir die Fehler und wiederholen sie?
  • Analysieren wir die Fehler und ziehen Schlussfolgerungen, oder rationalisieren wir sie weg und machen Ausreden?
  • Wenden wir das Gelernte an und machen Veränderungen, oder bleiben wir bei dem, was wir immer getan haben?

Diese Fragen können uns helfen, eine positive und produktive Einstellung zu Fehlern zu entwickeln, die uns ermöglicht, uns ständig zu verbessern und unsere Ziele zu erreichen. Sie können uns auch helfen, eine Kultur zu schaffen, die Fehler nicht als Makel, sondern als Motor für Innovation und Wachstum sieht.

Andreas Gebhardt ist ein erfahrener Jongleur und Keynote Speaker, der sich auf Fehlerkultur und Veränderungsbereitschaft spezialisiert hat. In seinen Vorträgen schafft er die perfekte Balance zwischen Content und Entertainment und schafft damit bleibenden Eindruck.  Erfahren Sie mehr über Andreas‘ einzigartige Herangehensweise und wie er Ihrem Team helfen kann, eine positive Fehlerkultur zu erarbeiten.

Hier finden Sie weitere Infos zu Andreas Gebhardt und zu seinen Vorträgen über Fehlerkultur und Mut zur Veränderung