Irrtum über positive Fehlerkultur?

„Positive Fehlerkultur? Bedeutet das jetzt, dass Fehler toll sind und wir alle mehr machen sollen, ohne Verantwortung zu übernehmen? Kann dann jeder einfach machen, was man will und wir hoffen einfach, dass trotzdem alles gut geht?“ Solche Sätze habe ich schon in Briefings vor Keynotes zur Fehlerkultur gehört. Und es scheint eine verbreitete Befürchtung zu sein, dass man Fehler einfach gut finden soll. Aber da steckt ein Irrtum über positive Fehlerkultur drin.

Der Irrtum über positive Fehlerkultur

Eine positive Fehlerkultur bedeutet nicht, dass wir Fehler klasse finden und dass wir alle mehr Fehler machen sollen. Es bedeutet vielmehr eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Fehler passieren können, ohne das dann gleich Angst vor Repressalien besteht.

Wenn Arbeitgeber eine Umgebung schaffen, in der sich die Mitarbeiter sicher fühlen, eine Umgebung, in der man Fehler angstfrei ansprechen kann, dann spricht man auch von psychischer oder psychologischer Sicherheit.

Im Buch Think Again* von Adam Grant geht es u.a. um die  Auswirkungen psychischer Sicherheit am Arbeitsplatz. Der Autor beschreibt darin einen Versuch, der zeigt, dass psychische Sicherheit am Arbeitsplatz zu höheren Fehlerraten führt. Also, genau genommen, dass mehr Fehler gemeldet werden.

Erste These der Versuchsleiterin Emy Edmondson** war, dass psychische Sicherheit Selbstzufriedenheit erzeugt. Und man es nicht für nötig hält, sich und andere zu hinterfragen und zu prüfen. Passieren also wirklich mehr Fehler wenn man sich sicherer fühlt?

Was hat psychische Sicherheit mit Fehlerkultur zu tun?

Bei genauerer Betrachtung hat sich herausgestellt, dass die gemeldeten Fehler allesamt eigene Fehler waren. Sprich: Jeder hat seine Fehler selbst gemeldet und keiner hatte Anlass den Fehler eines Kollegen zu melden.

Als man die Daten genauer analysierte, stellte man fest, dass zwar mehr Fehler gemeldet wurden, aber dass tatsächlich insgesamt weniger Fehler passierten als in Teams in denen keine psychische Sicherheit herrschte. Fühlt man sich unsicher tendiert man nämlich dazu Fehler nicht zu melden.

Dadurch, dass sie ihre Fehler zugaben, konnten sie herausfinden welche Ursachen sie hatten und sie künftig ausmerzen. Hier hat psychische Sicherheit also ganz klar dazu geführt Fehler zu melden, um an ihnen zu arbeiten. Die Anzahl der Fehlermeldungen korelliert also nicht mit der Anzahl der tatsächlichen Fehler, sondern mit dem Grad der persönlichen psychischen Sicherheit.

Je sicherer sich die Mitarbeiter fühlen, desto eher sind sie bereit Fehler zu melden.

Es geht nicht darum Fehler einfach gut zu finden. In einer positiven Fehlerkultur ist das Ziel vielmehr folgendes: Einen positiven, offenen Umgang mit Fehlern zu finden. Fehler schnell sichtbar zu machen, um sie langfristig zu vermeiden. Je mehr Fehler bekannt werden, desto mehr können nachhaltig behoben werden.

Mitarbeiter psychisch unsicherer Teams verbergen hingegen ihre Fehler, um Strafen zu entgehen. Dadurch wird es schwierig, die Ursache zu diagnostizieren und die Fehlerquelle abzustellen. Deshalb wiederholen sie immer wieder die gleichen Fehler.

Fehler, die man nicht kennt, können auch nicht nachhaltig behoben werden.

Schlussfolgerung

Eine positive Fehlerkultur braucht psychische Sicherheit, ein Klima des Respekts und des Vertrauens. Ein Klima, dass Offenheit fördert und die Menschen dazu ermutigt ihre Bedenken, Vorschläge und Fehler ohne Angst vor Repressalien zu äußern. Das ist die Grundlage einer offenen und positiven Fehlerkultur und damit der Grundstein einer Lernkultur.

Wenn Sie also Fehlermeldungen erleichtern wollen , dann schaffen Sie alles aus dem Weg, was Angst erzeugen kann und was das Melden eines Fehlers erschwert.

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*Adam Grant, „Think Again – die Kraft des flexiblen Denkens“ Piper Verlag 2022, S. 251ff.

**Wiliam A. Kahn, „Psychological Conditions of PERsonal Engagement and Disagreementat Work” in Academy of Management Journal 33 (1990) S. 692-724

 

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Andreas Gebhardt ist Jongleur & Keynote Speaker. In seinen Vorträgen beleuchtet er die Wichtigkeit von Fehlern für die Entwicklung, die PErformance, aber auch für den zwischenmenschlichen Bereich. Er visualisiert seine Vorträge mit Jonglierbällen und schafft dadurch eine bleibende Bildwelt, die sich lange in den Köpfen der Teilnehmer verankert.

Hier finden Sie weitere Infos zu Andereas Gebhardt und zu seinen Vorträgen über Fehlerkultur und Mut zur Veränderung.