Wie vermeidet man mehr Fehler? – Vertrauen vs. Kontrolle
Heute steht eine wichtige Präsentation an. Es ist wichtig, dass heute alles klappt. Ich bin der Kopf des Unternehmens, bei mir läuft alles zusammen, ich glaube ich mache das heute lieber selbst. Wenn ich das an meine rechte Hand weitergebe oder an andere Mitarbeiter, habe ich Angst, dass was schiefgeht. Zudem würde ich ausflippen, wenn das jemand vermasselt. Da lasse ich lieber niemand anderen ran. Ich bin ja schließlich auch der einzige, der alle Details kennt und immer alles im Blick hat. Die anderen können zuschauen, vielleicht lernen sie ja noch was dabei.
Mit dieser Einstellung stehe ich, der Kopf meines Unternehmens auf der Bühne. Mein Unternehmen? Ach ja, ich bin Jongleur. Meine Mitarbeiter? Das sind meine Hände, die mir gerade die Bälle hereintragen, damit ich mit der Präsentation anfangen kann.
Nun stehe ich da, mitten auf der Bühne, die Bälle in den Händen. Die Zuschauer warten, dass es endlich losgeht. Ich stelle mir schon vor, wie die Bälle gleich perfekt durch die Luft fliegen und alle begeistert sind und mich feiern. Ich, als Kopf, kann die Bälle aber weder werfen noch auffangen, dafür brauche ich meine Mitarbeiter, die Hände. Aber Kompetenzen abgeben, andere anpacken lassen, in so einer wichtigen Situation? Auf gar keinen Fall! Oder doch? Damit es überhaupt losgehen kann, müsste ich meinen Händen also erst mal so viel Vertrauen entgegenbringen, dass sie einen Wurf wagen können, auch wenn es nur ein ganz kleiner ist. Zum Werfen und Fangen brauchen meine Hände Freiräume und Vertrauen, sonst halten sie still und nichts passiert. So wie jetzt. Die Zuschauer warten immer noch, dass endlich etwas passiert.
Also gut, ich verstehe. Ich gebe also minimalen Freiraum, kündige aber an, dass ich ALLES kontrolliere und dass NICHTS geschehen darf, das ich nicht im Blick habe. Die rechte Hand wirft, ich bleibe mit dem Blick beim Ball, lasse ihn keinen Moment aus den Augen, die linke Hand fängt ihn, wirft aber den nächsten Ball nicht ab. Warum? Was ist los? Sie antwortet, dass sie warten wollte bis ich bereit bin.
Jeden Ball zu jedem Zeitpunkt zu kontrollieren ist bei Jonglieren schlichtweg unmöglich. Erstens wird beim Jonglieren der Ball abgeworfen bevor der ankommende gefangen wird, was bedeuten würde, dass ich zwei Bälle gleichzeitig beobachten müsste, die in verschiedene Richtungen fliegen. Zweitens geschieht einfach alles viel zu schnell, und dann auch noch oben, unten, rechts und links gleichzeitig. Jongliert man z.B. mit fünf Bällen, macht man ungefähr fünf Würfe pro Sekunde, das ist alle 0,2 Sekunden ein Wurf, der dann zwischenzeitlich auch wieder gefangen werden muss.
Zuviel Kontrolle lähmt die „HANDlungsfreiheit“. Selbst im Unternehmen Jongleur muss das Verhältnis von Kontrolle und Vertrauen stimmen, damit Bewegung möglich ist. Die Hände brauchen einen gewissen Grad an Autonomie und Vertrauensvorschuss, erst dann kann es überhaupt losgehen. Mit Vertrauen geht es vorwärts, klar kann da auch mal ein Fehler passieren, aber ohne das Vertrauen geht eben gar nichts. Aber hier geht es nicht um blindes Vertrauen – Kontrolle und Infos vom Kopf, wo welcher Ball gerade wie fliegt ist auch wichtig. Die Kontrolle findet aber nur an einem winzigen Punkt im Flug statt, kurz vor dem Ziel, dem Scheitelpunkt, so dass sich die Augen möglichst wenig bewegen müssen. Die Infos der Kontrolle gehen dann, quasi als interne Kommunikation, direkt weiter an die Hände, damit die wissen wo der Ball ankommt, und sich entsprechend auf den Weg machen können.
Eine gute Performance mit ununterbrochenen, gut laufenden Prozessen braucht das richtige Verhältnis von Freiräumen für die Mitarbeiter, Vertrauen in deren Fähigkeiten, aber auch Kontrolle und rechtzeitige Kommunikation der Abweichungen und Ergebnisse. Das ist das Zeug zum Flug.
Ohne Vertrauen kein Loslassen. Ohne Loslassen kein Flug. Ohne Flug kein Höhepunkt. Ohne eine Kontrolle beim Flug und die entsprechende interne Kommunikation kein Fangen – Und wer steht schon gerne mit leeren Händen da?
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Andy Gebhardt spricht als Referent zum Thema Fehlerkultur.