Wir brauchen keine Fehlerkultur, denn wir haben schon eine. Jeder von uns reagiert ja irgendwie auf Fehler und das ist bereits eine Kultur. Eine Frage ist lediglich, ob wir uns diese Reaktionen bewusst ausgesucht haben oder ob wir diese bestehende Fehlerkultur kritiklos und stumpf aus dem Elternhaus oder, noch schlimmer den Bildungsinstitutionen übernommen haben. Eine andere Frage ist, ob diese Fehlerkultur unterstützend und förderlich ist oder eher hinderlich und lähmend. Und dann gibt es noch die Frage, ob wir unsere Fehlerkultur aktiv verändern wollen.
In den letzten Jahren häufen sich Artikel, die marktschreierisch nach einer Fehlerkultur rufen, als ob wir noch keine hätten. Aber in vielen Artikeln steht nicht mal wie eine mögliche andere Fehlerkultur aussehen soll. Mehr scheitern! Schneller scheitern! Öfter scheitern! – Das sind doch leere Worthülsen, wenn man bedenkt wie das deutsche Insolvenzrecht aussieht und wie lange jemand braucht der eine Insolvenz oder gescheiterte Beziehung, privater oder auch geschäftlicher Natur, aufarbeiten muss.
Dann kommt immer wieder der Vergleich mit den USA. Fail fast und no risk no fun. Vielleicht gibt es in den USA mehr Gründer, aber es gibt dort auch sehr viele gescheiterte Existenzen, die in solchen Artikeln immer wieder ausgeblendet werden. Und wenn man genau hinschaut, dann geht es den USA nicht so hervorragend. Eine entsolidarisierte Gesellschaft, geteilt in arm und reich, in schwarz und weiß, in der täglich mehr als 80 Menschen ermordet werden, mehr Menschen inhaftiert sind, als in jedem anderen Land der Welt und in der man mit einem Job alleine kaum noch überleben kann. Der amerikanische Traum ist offensichtlich ausgeträumt, sonst wäre sicherlich kein Donald Trump gewählt worden. Ist das also die beste Fehlerkultur?
Wir haben bereits eine Fehlerkultur, jeder einzelne von uns, und die ist sehr vielschichtig. Wir gehen zum Beispiel sehr differenziert damit um wenn ein Glas umfällt, je nachdem ob es im Meeting vom Chef umgeworfen wird oder am Küchentisch vom eigenen Kind. Lass doch die anderen über ‚German Angst‘ lachen, wir sind vorsichtig und gehen mit Bedacht vor und das hat uns Deutsche bereits weit gebracht. Wenn man das über Bord wirft, wird man auch ein Erfolgsmodell untergehen.
Wir brauchen keine Fehlerkultur, sondern ein Bewusstsein dafür wie unsere Fehlerkultur eigentlich aussieht und ob sie uns unterstützt oder eher behindert. Dabei gibt es zwei Seiten zu betrachten: Den Umgang mit Fehlern, die passiert sind und den Umgang mit Risiko. Die eine Seite ist: Wie reagieren wir auf Fehler bei uns selbst und bei anderen? Sehen wir nur den Fehler oder auch den Mut, der manchmal dahintersteckt etwas gewagt zu haben? Loben wir den Versuch oder machen wir uns nur über das Ergebnis lustig? Sehen wir in einem Fehler das Scheitern oder sehen wir darin auch eine Möglichkeit zu lernen, vielleicht sogar einen Schritt zum späteren Erfolg? Wie nachsichtig sind wir mit uns und mit anderen, deren Versuche schiefgingen? Reden wir mit anderen oder nur über sie?
Und die andere Seite ist: Sind wir bereit Verantwortung zu übernehmen? Wie gehen wir selbst mit Mut um? Was trauen wir uns zu? Haben wir den Mut Dinge auszuprobieren, Veränderung zu unterstützen? Neues auch anzugehen? Oder lassen wir lieber alles wie es ist, weil jeder Versuch ja auch immer ein Fehler sein könnte?
Wenn man von Fehlerkultur spricht, dann hat man oft nur seinen eigenen Dunstkreis vor Augen. Und wer da eine andere Fehlerkultur braucht, der sollte bitte bei sich anfangen. Wir können nicht alle verändern, aber wir können bei uns anfangen etwas anders zu machen.
Lassen sie sich nichts vom Marktschreier verkaufen. Wir brauchen keine Fehlerkultur, sondern nur einen bewussten Blick auf das was bereits da ist, und das ist größtenteils auch gut. Und für das was noch besser sein könnte, brauchen wir den Mut Veränderungen anzupacken, viele kleine Schritte zu gehen, ohne dabei die Menschlichkeit aus den Augen zu verlieren.
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Wenn Sie auch keine Fehlerkultur brauchen, sondern Beispiele und Inspirationen oder Unterstützung dabei klare Maßnahmen und Absprachen zu treffen, wie sie ihre Fehlerkultur aktiv gestalten möchten, dann steht Ihnen Andy Gebhardt gerne als Key Note Speaker oder als Prozessbegleiter zur Verfügung.