Ab wann darf man eigentlich über Fehler lachen?

Bei meiner Abschlussprüfung  in der Artistenschule habe ich mit den Devil-Sticks jongliert. Bei der sognannten Kreissäge drehte ich mit beiden Händen den Stock direkt vor meinem Gesicht. Dabei ist mir der Stock so unglücklich abgerutscht, dass er mir von unten ans Kinn gedonnert ist. Ich hörte wie meine Zähne aufeinander schlugen.  Allerdings blieb der Stock in der Position regelrecht stecken, so dass ich mit nur kurzer Unterbrechung den Trick einfach fortsetzen konnte. Das war peinlich, wirklich peinlich. Ich vermute, dass man bis in die erste Reihe hören konnte wie meine Zähne aufeinanderschlugen und mein Gesicht, das sah bestimmt sehr unentspannt aus. Ich wäre damals am liebsten im Boden versunken.

Heute kann ich über diesen Fehler lachen. So ein witziger Fehler, und dann auch noch in dieser Situation, wo die bierernsten Trainer vor mir saßen und Schulnoten für Entertainment vergaben. In einer Trainingshalle mit Tageslicht, ohne Bühne, ohne Showambiente, begleitet von Musik aus einem tragbaren Kassettenrecorder. Lol !

Wäre ich nochmal in der Situation, mit meinen heutigen Erfahrungen, würde ich wahrscheinlich nicht einfach weiterjonglieren, sondern laut loslachen – oder wenigstens gut hörbar „Oops!“ oder „Aua“ sagen. Ich vermute, dass die Zuschauer mitlachen würden.

Heute weiß ich, dass der Fehler weit weniger schlimm war, als ich in diesem Moment vermutete. Die meisten Zuschauer haben den Patzer gar nicht bemerkt. Im Nachhinein fand ich sogar heraus wie ich den Fehler zuverlässig vermeiden kann. Der Fehler war in diesem Moment schlimm, sogar sehr schlimm. Einen Tag danach war er nur noch halb so schlimm, eine Woche danach hatte ich daraus gelernt, ein Jahr danach hatte ich ihn fast vergessen. Heute, mehr als 10 Jahre danach ist er sogar lustig.

Ist es nicht so, dass man sich vergangene Fehler gerne als unterhaltsame Geschichten erzählt? Wie lange muss ein Fehler her sein, damit er eine gute Geschichte wird? Wie lange dauert es bis auch schlimme Fehler eine gute Geschichte werden? Ist die Titanic schon eine gute Geschichte? Ist es die Costa Concordia? Wenn der Fehler gerade passiert, dann sind die Reaktionen oft alles andere als gelassen, man flippt aus, macht sich Selbstvorwürfe, oder straft sich mit Verachtung oder gar Sanktionen. Die eigenen Fehler sind ja (ach!) so viel schlimmer als die der anderen.

Negative Reaktionen auf Fehler sind wirklich angemessen wenn Menschen zu Schaden kommen, hohe Kosten entstehen oder wenn man aufgibt und vor hat die Niederlage einzustecken. Es gibt auch Fehler, die wirklich nachhaltig schlimm sind, da bleibt es auch unangebracht einen lockeren Umgang zu finden. Aber seien Sie mal ehrlich, die meisten Fehler haben übersichtliche Konsequenzen. Und hat man aber vor wieder aufzustehen und es nochmal zu probieren, hat man allen Grund positiv mit dem Fehler umzugehen. Denn dann wird aus dem Fehler eine kleine Lerneinheit auf dem Weg zum Ziel und wer weiß, vielleicht auch bald eine gute Geschichte.

Es stellt sich auch die Frage wie man eigentlich besser mit einer Herausforderung umgeht: Indem man dabei schlecht gelaunt vor sich hin flucht, sich Vorwürfe macht und latent aggressiv weitermacht, oder wenn man lächelnd und halbwegs entspannt einen neuen Versuch wagt? Wohl eher letzteres, oder?

Also seien Sie Ihrer Zeit voraus und lachen Sie doch einfach gleich über die Fehler.

Andreas Gebhardt | Jongleur und Speaker

Freud vermutet übrigens, dass wir mit dem Lachen innere Spannungen abbauen. Wenn man über sich selbst lacht, lacht das Über-Ich über das Ich.  So verhält man sich zu seinem eigenen Leiden, wie ein Erwachsener zu einem Kind, das man tröstet und doch auch gleichzeitig belächeln kann in dem Wissen: Irgendwann hat das Kind den Bogen raus und dann klappt es.