Jongleur auf hoher See

Showtag auf der MS Astor. Seetag zwischen Bordeaux und Saint Malo. Im Bordprogramm ist Jongleur Andy Gebhardt für 21.45h angekündigt.

Gleich nach dem Frühstück habe ich meinen Koffer in den Backstage Bereich der Astor Show Lounge gebracht um aufzubauen. Normalerweise brauche ich dafür 20-30 Minuten. Doch auf der Astor war an diesem Tag alles anders. Erstens war der Backstage Bereich so klein, dass ich im Treppenhaus aufbauen musste, was nicht weiter schlimm ist, wäre das Treppenhaus nicht noch ein paar Meter weiter vorne im Schiff. Vom Treppenhaus geht sogar die Tür zum Vorschiff auf. Und an diesem Tag war „Rough Sea“, das heißt 4 bis 5 Meter hohe Wellen und die Astor mal oben drauf mal mitten drin. Das hat so was von gewackelt, dass ich mich zwischendurch immer wieder kurz auf die Treppe setzen musste um nicht in meinen Auftrittskoffer zu  spucken. Ich brauchte eine ganze Stunde für den Aufbau, war danach  klatschnass geschwitzt und mir war ziemlich übel. Hier fühlte ich mich weniger wie der Jongleur sondern eher wie das Requisit was durch die Luft gewirbelt wird. Kaum aufgebaut habe ich mich wieder ins Bett gelegt, um meinen Magen etwas zu beruhigen. Um 11.30h war dann die Probe angesetzt. Silvio, der Stage Manager, total entspannt, während sich der Herr Jongleur auch gerne mal in einen der Sessel in der ersten Reihe setzte, um das wahrscheinlich grüne Gesicht zu verbergen, und von dort per Mikro die Anweisungen für Licht und Ton zu geben.

Das eigentliche Problem dieser Bühne ist aber gar nicht der Seegang, sondern die Bühnenhöhe. Mit etwa 2,20m ist es eine extrem niedere Bühne für mich als Jongleur, und damit eine echte Herausforderung. Und bei Seegang passiert es, dass die Requisiten mal höher oder weniger hoch fliegen, als ich sie tatsächlich werfe. Wenn ich z.B. einen Ball bis auf Augenhöhe werfe und in dem Moment des Abwurfes kippt das Schiff nach unten, dann geht alles was steht oder befestigt ist nach unten. Also ich, der Jongleur, der Bühnenboden und die Decke, alles geht nach unten außer dem Ball in der Luft. Der knallt dann mal einfach so an die herunterkommende Decke. Den umgekehrten Fall gibt es natürlich auch, man wirft etwas hoch was dann aber nur etwa halb so hoch fliegt wie man es geworfen hat. Um die Schiffsbewegungen auszugleichen werfe ich sonst auf Schiffen einfach etwas höher, da die Decke der Astor Lounge aber so niedrig ist, kam ich ganz schön ins Schwitzen. Später habe ich mit einem von der Brücke gesprochen, der mir versicherte, dass sich das Vorschiff bei so  einem Seegang nicht mehr als 4 bis 5 Meter!!! auf und ab bewegt, das sei höchstens 4 bis 5 Grad Neigung. (Würde mich mal interessieren ob man das irgendwie ausrechnen kann???)

Nach der Probe habe ich mich hingelegt damit sich mein Magen etwas beruhigt und ich nicht ständig schlucken muss. Kaum war ich wieder bei Sinnen habe ich mich nochmal den Schwierigkeiten auf der Bühne gestellt. Dabei ist es mir sogar passiert dass eine Zigarrenkiste an die Decke knallte. Die werfe ich sonst nur auf Brusthöhe! Das Schiff bewegt sich ja nicht nur nach oben und unten, sondern auch nach rechts und nach links. Ich musste feststellen, dass ich im allerbesten Fall,  und auch nur mit ganz viel Glück, höchstens eine mittelmäßige Jonglage präsentieren würde. Aber was sollte ich tun? Ich habe noch nie im Leben eine Show abgesagt, das Tagesprogramm war in aller Hände, alle waren neugierig den Jongleur zu sehen. Mit schwerem Herzen und mulmigen Magen suchte ich den Cruise Director auf, um die Situation zu besprechen. Und der reagierte Gott-sei-Dank sehr entspannt und setzte eine Gesangsshow an, die  sowieso immer als Stand-by-Show parat ist für solche Fälle.

Zwei Tage später trat ich dann auf, als die Astor noch im Hafen von Honfleur, Frankreich lag. Den Tag über hatten die Gäste (und ich auch) das schöne normannische Städtchen im Regen angeschaut, als Souvenir habe ich mir eine Erkältung mitgebracht, und abends kurz vor der Abfahrt war ich dann dran. Die Show war klasse. Schließlich hatte ich mich ja unter härtesten Bedingungen auf die niedrige Bühne vorbereitet. Die Astor Lounge war bis auf den letzten Platz gefüllt und sogar die Eingänge waren voller stehender Gäste und anderer Neugieriger. Die Gäste waren echt gut bei der Sache und die Show hat so richtig Spaß gemacht. In den folgenden Tagen kamen immer wieder Gäste mit positivem Feedback und neugierigen Fragen auf mich zu.

Da ich bislang ja nur auf wesentlich größeren amerikanischen Schiffen unterwegs war, war ich sehr gespannt, wie ich mit der Astor so zurechtkomme. So ganz ohne Casino, Kletterwand, Eislaufbahn und Burger-Restaurant. Aber ich muss sagen, dass gerade das Kleine den Charakter des persönlichen Kontakts stärkt und schon nach zwei Wochen kannte ich die meisten der Angestellten und auch viele Gäste. Ich hatte nette Gespräche und schöne ruhige Momente auf dem Sonnendeck. Hier einen großen Dank an das Team der Astor, das mich so herzlich aufgenommen hat und mit dem ich so viel Spaß hatte. Vor allem natürlich an Wiebke.

Insgesamt hätte das Wetter etwas besser sein können, aber dafür kann die Reederei ja nichts. Die Route von Portugal über Frankreich, England, Belgien, Niederlande nach Deutschland (Lissabon, Porto, Bordeaux, Saint Malo, Plymouth, Honfleur, Oostende, Amsterdam, Bremerhaven) fand ich ganz interessant. Ich liebe ja Frankreich, insbesondere die Normandie, mit Flan, Kouign Amann, Ile Flottante, Calvados … und beim Tagesausflug nach Brügge habe ich mich natürlich eingedeckt mit Schokolade und belgischem Himbeer- und Kirsch- Bier. In Lissabon und Amsterdam lag die Astor sogar über Nacht, so dass es möglich war, den Abend dort zu verbringen, das fand ich wirklich super. In Lissabon war ich total lecker essen und in Amsterdam- tja, da kann ich mich gar nicht mehr dran erinnern…